Korrekturmöglichkeiten bei ästhetischen Misserfolgen im Frontzahnbereich
In einer umfangreichen Studie an 265 Implantaten in der Oberkieferfront wurden die an Hand der therapeutischen Möglichkeiten die ästhetischen Resultate analysiert. Während 64,9 % der Versorgungen positiv beurteilt wurden, bestand bei 27,9 % die Möglichkeit, das Ergebnis durch prothetische und/oder chirurgische Korrekturen zu verbessern. In 7,2 % der Fälle wurde die Explantation empfohlen, da die ungünstige Implantatposition keine ästhetisch befriedigende Versorgung zuließ.
Aufgrund der nach einem Zahnverlust auftretenden Gewebedefizite muss bei implantat-prothetischen Versorgungen damit gerechnet werden, dass selbst bei exakter dreidimensionaler Platzierung Kronen resultieren, die in ihrer Länge, dem Breiten-Längen-Verhältnis und den sichtbaren Flächen bei einer ungünstigen Lachlinie erheblich von den korrespondierenden natürlichen Zähnen abweichen (Abb. 1).
Narbenzüge (Abb. 2) und durchscheinendes Metall können ebenso wie Papillendefizite (Abb. 1) das ästhetische Ergebnis erheblich beeinträchtigen.
Die ungünstige Achsrichtung der Implantate führt nicht selten dazu, dass die Vorderkante der Implantatschulter durch die Schleimhaut durchscheint. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn es sich um einen ungünstigen Phänotypus der Schleimhaut handelt (dünn, grazil, kaum gestippelt = Morpho-Typ A) (Abb. 3).
Die ästhetischen Probleme zeigen, dass Implantationen in dem ästhetisch sehr sensiblen Bereich der Oberkieferfront sehr exakt geplant werden müssen. In einem hohen Prozentsatz sind umfangreiche Augmentationen erforderlich, um ästhetisch befriedigende Ergebnisse zu erzielen. Die Möglichkeiten, sekundär (bei der Freilegung der Implantate) oder tertiär (nach der prothetischen Versorgung) Korrekturen vorzunehmen, sind begrenzt und immer mit einer zusätzlichen Belastung für die Patienten verbunden.
Weichgewebskorrekturen
Während der Freilegung kann die Weichteilsituation durch Rolllappen verbessert werden (Abb. 4). Durch die damit verbundene Volumenvermehrung wird durchscheinendes Metall erfolgreich abgedeckt und damit das ästhetische Ergebnis erheblich verbessert. Ein sehr erfolgssicheres Verfahren ist auch die Transplantation von freien oder gestielten Bindegewebstransplantaten (BGT). Vor allem mit dem nasopalatinal gestielten Gaumenlappen nach Sclar lassen sich nach Terheyden (2008) auch bei schwierigen morphologischen Voraussetzungen sehr gute Ergebnisse erzielen. Damit lassen sich auch zu tief inserierte Implantate bis zu einem gewissen Grad erfolgreich nach der prothetischen Versorgung tertiär therapieren (Abb. 5).
Hartgewebskorrekturen
Auch nach der Implantation sind Korrekturen der Hartgewebe möglich. Sie können sich auf Kontur verbessernde Maßnahmen beziehen, wenn Anlagerungsplastiken durchgeführt werden. Für die Wahl des geeigneten Augmentationsverfahrens spielt neben der knöchernen Kontur der Phänotypus der Gingiva wieder eine wichtige Rolle. Bei einer fibrösen und derben Gingiva (günstiger Phänotypus = Morpho-Typ B) wird man sich auf die transversale Augmentation des Knochens beschränken. Dabei wird partikulärer Knochen aus der Implantatumgebung vestibulär angelagert (Abb. 6). Sehr effektiv können Knochenspäne mit verschiedenen Siebsystemen (z. B. Bonetrap) gewonnen werden. Dieses Material lässt sich gut modellieren und der Knochenoberfläche adaptieren. Bei ausreichender Blutung sorgt das Fibrin für eine Stabilisierung des Augmentates, so dass keine weiteren Maßnahmen zur Vermeidung von Dislokationen erforderlich sind. Mit der Rückverlagerung des Schleimhaut-Periostlappens und dem Wundverschluss kann der Eingriff beendet werden.
Bei größeren Defiziten ist auch der Einsatz einer Zweischicht-Technik möglich (Bilayer-Technik). Dabei wird zunächst partikulärer Knochen aufgelagert und dieser mit einer Schicht eines Knochenersatzmaterials bedeckt (Abb. 7a u. b.).
Abb. 7a u.b Bilayer-Technik mit autologem partikulärem Knochen und boviner Spongiosa (Bio-Oss)
Dazu eignet sich bovine Spongiosa (Bio-Oss®), der eine gewisse Membranfunktion zugeschrieben wird und die aufgrund einer geringen Resorptionskinetik langfristig stabile Verhältnisse gewährleistet. Auch eine Kombination mit dem GBR-Verfahren ist möglich, wenn das Periost nicht erhalten ist (Abb. 8a und b).
Abb. 8a und b: GBR-Verfahren
Die Anlagerung von Blocktransplantaten wird bei größeren Knochendefiziten erforderlich. Sie erfordern bei umschriebenen Defekten die Entnahme aus der Mundhöhle (z. B. Linea obliqua des Unterkiefers, Mentalregion) (Abb. 9).
Neben diesen Kontur verbessernden Maßnahmen können bei ungünstigen Implantatpositionen auch Umstellungsosteotomien durchgeführt werden. Es wurde über einen Fall berichtet (Tetsch 2006), bei dem durch eine Segmentosteotomie zwei Implantate in der Oberkieferfront in eine ideale Position gebracht wurden. Voraussetzungen sind eine Osseointegration der Implantate und entsprechende morphologische Gegebenheiten, die eine Osteotomie ohne Verletzung der Wurzeln der Nachbarzähne gestatten. Für den Erfolg der Eingriffe ist eine exakte Planung in Verbindung mit einer Modelloperation notwendig. Während bei dieser Segmentosteotomie das ästhetische Ergebnis unmittelbar nach dem Eingriff erkennbar ist, erfordert die vertikale Distraktion eine gewisse Geduld (Abb. 10 und 11).
Kombinationseingriffe
In vielen Fällen reichen alleinige Weichgewebs- oder Hartgewebskorrekturen nicht aus. Je ungünstiger die Implantatposition ist desto umfangreichere Maßnahmen sind erforderlich. So müssen bei schwierigen Verhältnissen unter Umständen auch Mehrfachoperationen und kombinierte Weichgewebs- und Hartgewebskorrekturen durchgeführt werden, um ein ästhetisch befriedigendes Resultat zu erzielen. Bei einem ungünstigen Phänotypus der Gingiva sollte in jedem Fall eine Volumenzunahme durch entsprechende Freilegungstechniken oder Bindegewebstransplantate angestrebt werden.
Explantationen
Bei der angesprochenen Studie zeigte sich, dass in 7,2 % der Implantate keine erfolgversprechende Korrekturmöglichkeiten bestanden (Abb. 12).
Für die dann notwendigen Explantationen wurden spezielle Fräser entwickelt, um die Defekte zu minimieren. Es handelt sich um Trepanfräser, die über die Außenfläche des Implantates geführt werden und damit die bestehende Knochenverbindung trennen. Bei konischen Implantaten wird bei dieser Vorgehensweise im apikalen Abschnitt zwangsläufig ein größerer Defekt entstehen. Eine schonendere Vorgehensweise kann in dem Einsatz graziler Lindemannfräser bestehen, mit denen der Knochen soweit geschwächt wird, dass eine vorsichtige Luxation möglich wird. Bei dem in der Regel geringen Knochenangebot in der Oberkieferfront muss in jedem Fall mit einem erheblichen Substanzverlust gerechnet werden, der augmentative Maßnahmen erfordert, auch wenn der Patient weitere implantologische Maßnahmen ablehnt. Besonders gefährdet ist die vestibuläre Knochenbegrenzung, die selbst bei vorsichtigem Vorgehen meist verloren geht (Abb. 13).
Die resultierenden Defekte entsprechen in der Regel dem Stadium IV oder V (Tetsch 2006), die mit einem erheblichen transversalen Knochenverlust verbunden sind. Wenn weitere Implantationen geplant sind, wird ein zweizeitiges Vorgehen notwendig. In diesen Fällen wird eine Alveolarfortsatz- oder Kieferverbreiterung zunächst durch Knochenblocktransplantate erreicht, die mit Hilfe von Schrauben stabilisiert werden müssen. Bestehende Spalträume sollten mit partikulärem Knochen aufgefüllt werden. Nach 4 bis 6 Monaten kann nach Entfernung der Schraube die Implantation erfolgen, bei der auch eventuell notwendige Korrekturmaßnahmen durchgeführt werden können. Die Präparation der Implantatkavität sollte in diesen Fällen vorsichtig erfolgen, da selbst nach Monaten der Block noch keine sichere Verbindung aufweisen und sich bei forciertem Vorgehen lösen kann.
Auch bei diesem Vorgehen ist die Kombination mit Weichgewebsaugmentationen oder dem GBR-Verfahren möglich. Bei diesen extrem schwierigen Ausgangssituationen sind unter Umständen auch sekundäre (während der Freilegung) oder tertiäre Augmentationen (postprothetisch) notwendig, um ästhetisch befriedigende Ergebnisse zu erzielen. Dabei spielen die Bindegewebstransplantate wieder eine wichtige Rolle.
Nach einem vollständigen Verlust des vestibulären und palatinalen Knochens liegt ein kombinierter transversaler und vertikaler Knochendefekt vor, dessen Therapie ausgesprochen schwierig ist (Ackermann et al 2006, Khoury 2006)). Die komplexe Rekonstruktion beinhaltet eine Doppelblock-Knochentransplantation, die mit einer gestielten Bindegewebstransplantation kombiniert wird. Dadurch wird eine ausreichende Blutversorgung des Knochentransplantates gesichert und eine entsprechende Volumensubstitution erreicht. In ungünstigen Fällen ist auch die Rekonstruktion der gesamten Weichteilbedeckung notwendig. Die Implantation kann sich nach ca. 4 Monaten anschließen. Auch dieser Eingriff kann mit einer weiteren Verbesserung der Weichgewebssituation kombiniert werden. Ein gutes ästhetisches Ergebnis lässt sich durch die Konditionierung des Weichgewebes durch provisorische Kronen erreichen. Der Umfang und die Schwierigkeiten der Eingriffe erfordern spezielle Erfahrungen. Daher sollten derartige Kieferdefekte von ausgewiesenen Spezialisten behandelt werden. Das gilt vor allem auch für Fälle, in denen das für die Rekonstruktion erforderliche Knochengewebe nicht aus der Mundhöhle entnommen werden kann.
Diskussion
Die Schwierigkeiten der implantatprothetischen Versorgung des Oberkieferfrontzahnbereiches werden nach eigenen Untersuchungen häufig unterschätzt. Die Gutachtertätigkeit der letzten Jahre und die zunehmende Anzahl von Überweisungen mit der Frage nach Korrekturmöglichkeiten lassen die zunehmende Problematik und die Bedeutung der gestiegenen ästhetischen Ansprüche der patienten erkennen.
Viele Fehler lassen sich vermeiden, wenn eine exakte präoperative Diagnostik und Planung erfolgt. Dabei sollte das vorhandene Knochenangebot in Höhe und Breite vermessen und eine Modellanalyse durchgeführt werden. In speziellen Fällen kann das Computertomogramm oder eine Volumentomographie hilfreich sein. Die Schnittbilder erlauben eine sehr exakte Beurteilung der Hart- und Weichgewebe und erleichtern die Planung eventuell notwendiger augmentativer Maßnahmen. Sinnvoll ist auch die Verwendung von prothetischen Setups und von Planungs- und Operationsschablonen. Hart- und Weichgewebsdefizite lassen sich auf diese Weise visualisieren und können dem Patienten eindrucksvoll demonstriert werden.
Verständlich ist der Trend zur Sofortimplantation oder zur verzögerten Sofortimplantation, da eine Vielzahl der beschriebenen Probleme umgangen werden können. Dabei ist allerdings die Vermeidung von Belastungen der vestibulären Knochenlamelle für den Langzeiterfolg entscheidend. Mit „internen“ Augmentationen zur Therapie von Inkongruenzen und Anlagerungsplastiken als Kontur verbessernde Maßnahmen lassen sich optimale Voraussetzungen für positive Langzeitergebnisse schaffen. Bei Spätimplantationen muss mit einem Substanzverlust gerechnet werden, der bei unzureichender Therapie ungünstige Implantatpositionen mit funktionellen und ästhetischen Nachteilen zur Folge hat. Unzufriedene und enttäuschte Patienten konsultieren nicht selten zahlreiche Ärzte und Zahnärzte und fragen nach Korrekturmöglichkeiten. In vielen Fällen wird die Implantatentfernung vorgeschlagen, ohne alternative Behandlungsmöglichkeiten zu erwägen. Dabei lassen sich durch Hart- und Weichgewebskorrekturen oftmals erhebliche Verbesserungen erzielen. Explantationen sollten immer zuletzt diskutiert werden, da sie mit Defekten und einer entsprechend schwierigen und langwierigen Therapie verbunden sind. Voraussetzung für die verschiedenen Korrekturoperationen ist eine Osseointegration der Implantate. Bei extremen Fehlstellungen lassen sich allerdings Explantationen nicht vermeiden.
Dr. Jan Tetsch M.Sc.